Das "reine" und "rockige" G

Oder auch: Das verflixte G. Kaum gibt es mehr verrenkte Haltung, seltsame Notlösungen, abgeknickte Finger bis hin zu offenkundigen Abneigung im Zusammenhang mit diesem unschuldigen Akkord: G Dur.
Dabei sieht er doch harmlos aus, nicht?
Man kann ihn auf einige verschiedene Arten greifen; am häufigsten werden zwei davon verwendet. Ich werde bei der korrekten Griffweise nicht zu sehr ins Detail gehen, weil der Workshop unendlich lang dadurch würde. Anhand von Fotos wird man die Griffe sehen, aber die Erfahrung zeigt, dass Fotos allein oft zu ganz anderen Ergebnissen führen. (PS: Die Platzierung der Fotos kann in der mobilen Version etwas durcheinander sein)
Eigentlich ergeben die Saiten 2, 3 und 4 bereits G Dur. Was man noch braucht, wäre der Bass im III. Bund, fertig. Was aber mit der hohen E Saite? Das g oben im III. Bund? Dämpfen, ok, aber nur unauffällig! Ich habe schon kleine Kamele auf dem Griffbrett hüpfen sehen, aber G war das nicht. Auf Dauer muss man sich eine geeignete Variante aussuchen.
Bevor wir uns die Vor- und Nachteile der beiden Griffweisen anschauen, muss ich etwas wichtiges loswerden, das beide Varianten betrifft und die uns nur das Leben schwer machen, wenn wir das übersehen:

Normalerweise müssen wir alle Finger möglichst senkrecht aufsetzen, um benachbarte Saiten nicht zu berühren. Beim G gibt es eine Ausnahme. Das tiefe h, hier grau, also auf der 5. Saite im 2.Bund, ist für den Klang nämlich unwesentlich. Wir können die 5. Saite also abdämpfen. Der G Dur Akkord klingt genauso gut ohne das tiefe h, das eine Oktave höher als (2.) Leersaite ohnehin viel deutlicher zu hören sein wird. (Genauer gesagt ist das h die Terz von G Dur, und im "Bass" geht der "Terzeffekt" ziemlich unter)
Damit darf der Bass-Finger die A Saite ruhig berühren!
➡ Das sollte man sich zunutze machen, um einen unverkrampften Griff zu bekommen!
Ergo: Mit welcher Variante wir auch greifen, das tiefe h muss nicht klingen, obwohl der entsprechende Finger trotzdem auf dem h liegen kann, einfach damit er "aufgeräumt" oder gar in Bereitschaft ist, falls wir später Bassläufe einfügen wollen. (Es geht aber auch ohne den "Bereitschafts-Finger"...)
Hier beide im Vergleich: Eine Möglichkeit ist, mit dem Mittelfinger den Bass zu spielen, (Abb. A) die andere, mit dem Ringfinger (Abb. B). Beide haben
ihre Berechtigung, und ich verwende sie je nach Situation. Die Daumen-Stellung ist nicht ernst zu nehmen, da ich die Fotos selbst geschossen und die Gitarre dabei in eine etwas ungünstige Stellung gedreht habe.


In Abb.A die leichtere Art: Das hohe G kann auch mit dem kleinen Finger gespielt werden. Oft knickt er aber unschön ab. Daher gilt: 1) nicht die klassische Haltung einnehmen. 2) Hand- und Daumenposition an Größe des Halses anpassen, damit Ring- oder kleiner Finger bequem senkrecht aufsetzen können 3) Finger berühren sich 4) der Mittelfinger streckt sich lang, darf flach sein, 5) das tiefe h muss nicht klingen
Vorteile: Ist leichter zu greifen, auch das "rockige G " (s.unten) ist viel einfacher. Nachteile: Es dauert viel länger, bis man auf C um-gegriffen hat wegen des großen Bewegungsaufwands. Zudem ist die schöne Verzierung C/G nicht spielbar, (C mit G im Bass, s. Foto unten) und das Standard G7 auch nicht, obwohl das eher noch zu vernachlässigen wäre.

Abb.B : All die Nachteile werden mit der "Ringfinger im Bass-Griffweise" eliminiert.
Der Wechsel auf C ist blitzschnell (unterer Teil von G = unterer Teil von C) und das so wichtige C/G geht nur so. Es ist allerdings ungewöhnlich, den kleinen Finger gänzlich einzurollen, so dass die Fingerspitze genau senkrecht aufkommt, während der Ringfinger sich so lang wie möglich macht.
Das ist das Ungewöhnliche dabei.
Diese Spreizung zwischen kleinem- und Ringfinger ist extrem, kann aber bei entsprechender Übung ganz entspannt vorgenommen werden. Es gelingt Anfängern in den meisten Fällen nur mit Hilfestellung oder gar nicht. Auf Abb.B sieht es entspannt aus - ist es auch, wobei die verwendete E-Gitarre ohnehin keine großen Streckungen verlangt. Bei einer Gitarre mit breiterem Hals wäre der Ringfinger eben flacher über das Griffbrett gelegt.
Alle Punkte von 1) bis 5) gelten auch für diese Griffweise.
Das "rockige G" in Abb.C verzichtet auf die Terz, was dem Klang die "blumige" Komponente wegnimmt. Wenn aus dem h auf der zweiten Saite ein d wird (III.Bund), kommen nur noch Quinten, also g und d vor, eine Art offener "power chord".

So sieht also das "rockige" G aus, mit dem Mittelfinger im Bass:

Ich verwende es gerne, wenn ich vom D komme: Der Ringfinger bleibt auf d liegen (zweite Saite, III. Bund), während der kleine Finger schon mal zum g im selben Bund auf der ersten Saite Platz nimmt. (= Dsus4). Und schon fliegt der Mittelfinger herüber auf das tiefe G : Fertig ist der Rock-Sound.

Im Fall der anderen Variante, wenn der Ringfinger also schon mal im Bass ist, wird es knifflig. Um die beiden Saiten e und h auf dem III. Bund zu greifen, ist ja nur noch der kleine Finger übrig. Aber mit dem richtigen Knick im kleinen Finger schafft er auch das.
(schon gewohnt von dem speziellen A-Typ Barree in Dur)
Nur für Spezialisten!
Bitte jede krampfartige Gewalt unterbinden, Arm locker schütteln und Finger zuerst behutsam auflegen, bevor (etwas!) Druck ausgeübt wird, dann das G und das rockige G im Takt in Kombination mit anderen Akkorden üben....
PS: vielleicht ist das "rockige" G mit Mittelfinger im Bass eine gute Übung/Hilfestellung für den kleinen Finger, nicht zu sehr seitlich abzuknicken, um sich stattdessen an den Ringfinger anzulehnen. Von daher könnte diese Variante gerade für Anfänger die geeignetste sein. Gut, die Terz fehlt leider, ist aber nur ein vorübergehender Verlust, der stilistisch zu verschmerzen ist. Ist der kleine Finger eingewöhnt, kann man weiter probieren: C mit g oben, kleiner Finger bleibt liegen, dann G mit Ringfinger im Bass. Nur Geduld!