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Erste Improvisation Teil 1


Das "innere Hören"

Sobald man die Dur-Tonleiter in angemessenem Tempo spielen kann, lohnt es sich, sie vom langweiligen auf / ab in einen musikalischen Kontext hinein zu bugsieren, auch wenn man noch nicht genau weiß, wie das Zusammenwirken von Tönen und Akkorden funktioniert. Es geht, versprochen!

Das Ergebnis wird nicht auf Anhieb professionell klingen, es geht viel mehr um die Erfahrung, die man dabei macht. Ohne sie wird keine Notenkenntnis der Welt zur freien Improvisation führen.

Spielt man die Tonleiter (oder Teile davon) also das erste mal zu einer Akkordbegleitung, (genauer: zu leitereigenen Akkorden), wird einem auffallen, wie gut die meisten Töne zum aktuellen Akkord klingen, während andere viel besser zu einem anderen Akkord passen. (mehr dazu im zweiten Teil)

Dabei wird das Ohr ständig beansprucht, denn jeder einzelne Ton hat hat im Zusammenklang mit einem neuen Akkordwechsel eine ganz andere Qualität.

Jeder hört diesen Unterschied sofort... (der Ton bildet zu jedem Akkord ein anderes Intervall zum Grundton, das ist alles)

Das Aufeinandertreffen von Melodie und Harmonie wird zunächst noch eher zufällig sein, aber man macht seine erste Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn die Töne eine Aussagekraft bekommen, was ohne Akkorde gar nicht möglich ist.

Das Gehör wird dabei automatisch geschult und beginnt, auf musikalische Situationen immer besser zu reagieren.. Das "innere Hören" wird hier ganz wichtig, denn was ich innerlich höre, kann ich auch spielen, wenn ich weiß wo die Töne auf der Gitarre sind.

Ich muss eine Vorstellung von dem entwickeln, was ich spielen will, um sie umzusetzen.

Alles andere wäre vorgefertigt, rein mechanisch abgerufen... (wobei vorgefertigte musikalische Bausteine (licks) durchaus wichtig sind, aber das ist nicht der Punkt)

Wer sich näher mit dem Thema "Vorstellung entwickeln" befassen möchte, lade ich ein, hier weiter zu lesen. Songwriter aufgepasst!

Zum Praxis-Teil geht es hier direkt weiter.

Eine musikalische Vorstellung entwickeln

Angenommen, jemand sitzt in der Bade- wanne (Synonym für störungsfreien, ungehinderten Fluss freudiger Energie? ) und pfeift oder summt vor sich hin.... (es soll ja Menschen geben, die dabei singen)

Die meisten, die Ähnliches tun, werden auf bereits bekannte Melodien zurückgreifen. Bitte nicht jetzt, wir nehmen mal an, es gibt sie noch gar nicht, die Melodie.

Dieser Jemand summt also unbekümmert irgendwas vor sich hin. Noch ein Schritt weiter: Er ist zwar entspannt, aber dennoch wach und konzentriert darauf, was er gerade tut, sagen wir, er sucht regelrecht nach einer hübschen Melodie. Eine kurze Phrase, mehr nicht.

Und da passiert es: Er findet sie! Er nimmt das Handtuch, wiederholt die Melodie nochmal laut und greift zum Handy. Das ist sie! Mit einem Intervall-Sprung, der verheißungsvoll klingt. Schnell im digitalen Notizblock gespeichert. (Nach dem Bad wird er sie gleich auf Papier und Keyboard weiter verarbeiten und mit Akkorden harmonisieren...!) Nun aber erst meine Pointe:

Als der "Komponist" in der Badewanne die Melodie entwickelte, verließ er sich auf sein intuitives Gefühl für Notenwerte und Tonhöhe, und als ihm der Intervall-Sprung in den Sinn kam, "hörte" er innerlich in Echtzeit genau das Intervall, das er bewusst anpeilte, aber ganz ohne dabei zu prüfen, ob es sich um eine große oder kleine Sexte handelt, und ob der zweite Ton ein Fis oder ein G ist!

Anders gesagt:

Auch ein Musiker, der die Notennamen jeder Tonart in- und auswendig parat hat, greift auf dieses spontane Aneinanderreihen von Tönen und Phrasen zurück, ohne jeden Ton erst zu analysieren. Im Idealfall kann er irgendetwas summen und sich gleichzeitig die Tasten eines Klaviers oder Saiten einer Gitarre vorstellen, ja, dabei die Notennamen singen und gleichzeitig die Töne auf der Gitarre mitspielen.

Sehr gut, wobei die Namen allein eben nicht die Voraussetzung, nicht einmal der Garant für eine gute Idee sind. Analysiert man im Nachhinein die Noten eines improvisierten Gitarrensolos, wird man freilich eine Struktur erkennen, etwa, dass betonte, längere Töne in aller Regel Akkordtöne sind. Aber sie wurden zuerst "gehört", und spontan wegen ihrer Aussagekraft ausgewählt und zeitgleich an das Instrument weiter gegeben.

Viele glauben, bei der Improvisation analytisch herangehen zu sollen, also ohne aus der inneren Vorstellung heraus, etwa:

"Moment, gleich gehe ich mal zum a hinauf weil das die Quinte von Tonart D ist und dann mache ich auf der Terz von d einen Triller und spiele dann den Dreiklang von g ....."

Für derartige Gedanken ist überhaupt keine Zeit. Genauso wenig wird sich jemand unterhalten, während er im Kopf eine komplexe Rechenaufgabe löst. Zudem entsteht die Gefahr, dass man "dudelt" ( wie "reden ohne Punkt und Komma"!)

Theoretisches Denken blockiert Spontanität

Idealerweise ist man beim Improvisieren in der Regel ständig mit Hören, oder anders gesagt, mit der Wiedergabe von musikalischen Aussagen beschäftigt.

Selbst wenn jemand so schnell denken könnte - Melodien und Musik überhaupt kommen nun mal nicht aus diesem Areal des analytischen Denkens.

Es kann sehr wohl sein, dass das a, gefolgt dem Triller und dem Dreiklang sehr gut klingt, aber die Entstehung einer guten Phrase wird nicht auf diese Weise erfolgen.

Bevor ich´s ganz vergesse:

Die Intervalle sind ein wichtiges Navigationswerkzeug.

Sie gut zu kennen und zu identifizieren ist eine grundlegende Voraussetzung, das "Gehörte" auf dem Instrument zu lokalisieren. So wird das Instrument zur eigenen "Stimme". Ohne die Kenntnis der Intervalle klappt das alles nicht. Sonst hört man innerlich genau den Ton, den man spielen will, weiß aber nicht wo er auf der Gitarre ist.

Eine musikalische Phrase entsteht demnach sehr ähnlich wie beim Sprechen, also in Echtzeit. Man stellt eine Frage und spricht frei heraus, ohne vorher die Grammatik festzulegen. Das wäre sonst nicht mehr spontan.

Ja, und man beginnt einen Satz, ohne den weiteren Satzbau zu planen, da die gewohnte Grammatik es zulässt, in Echtzeit zu Ende zu sprechen.

So eine (musikalische) Grammatik muss auch in der Musik gelernt werden.

Auch "Redewendungen" kommen zum Einsatz

Töne sind nur die Buchstaben!

Eine praktische Übung in Echtzeit

Probiert mal folgendes aus:

Stellt euch vor, ihr wollt eine Melodie für eine Textphrase finden, die lautet so:

DIE MEISTEN MENSCHEN, DIE DAS TUN ....

Nur Töne, keine Akkorde. Das Motiv kann, muss aber nicht für sich allein stehen. So wie dem Text ja noch der Nebensatz fehlt, also "unfertig" ist, das macht nichts.

Ein Ausschnitt eben. NUR ZU !

(Interessant: So wie der Text nicht zu Ende formuliert ist, kann auch eine Melodie (Motiv) "unfertig ohne Nebensatz" sein, quasi auf eine "Auflösung" oder "Antwort" warten.)

Mal kurz innehalten: DIE MEIS-TEN MEN-SCHEN , DIE DAS TUN..

Ist da schon ein Rhythmus? Ich meine, lest die Phrase nicht wie beim Sprechen, sondern stellt euch vor es wäre eine Zeile aus einem Gedicht. Na?

Die Silben können beliebig in rhythmische Muster gepackt werden..

Ja, es hat mit Betonung von Silben zu tun. Die zweite Silbe von MEIS-TEN oder MEN-SCHEN ist nun mal nicht betont, sondern die erste, und das ist dann auch in der Melodie so. Aber egal... do it!

Gibt es schon eine Idee, irgendetwas wie "Kubaja my Lord " vielleicht ?

Es gibt viele Möglichkeiten.

Ich will mindestens drei!.. also los, in Gedanken, ja?

@ø¤º°`°º¤ø,¸♬ ♩ ♭ ♪ ♬ ♪♩ ♬ ♩ ♭ ♪ ♬ ♪♩¸,ø¤º°`°º¤ø,¸@

Überhaupt nichts eingefallen?

Kann nicht sein!

Man hätte ja auch klauen können, zB die Melodie von Old Mc Donald had a farm, ! :)

Die erste Rhythmik, die mir spontan in den Sinn kam, war im 3/4 Takt, und dazu sind mir recht viele Melodien eingefallen:

Wie man sieht, sind die betonten Silben immer für die ersten beiden Viertel zuständig, die unbetonten für das dritte Viertel. Aber uns interessiert das nicht.

Eine feste Regel daraus zu machen, würde uns nur einschränken - es hat sich nun mal so ergeben, ok ?

(PS: mir sind spontan einige Melodie-Varianten zu dieser Rhythmik eingefallen, bevor mir bewusst wurde, dass ich mich im 3/4 Takt befinde! In dem Moment war es einfach Nebensache...!)

Man kann wie im Notenbeispiel die durch die Silbenanzahl vorgegebene Rhythmik übernehmen. Wie schon angedeutet, darauf ist man natürlich nicht festgelegt.

Trotzdem: bitte mal probieren, ein paar verschiedene Melodien auf dieser Basis zu erfinden wie im Notenbeispiel angegeben -

Das Beispiel dient nur zur Anregung. Bitte nicht falsch verstehen, gerade die Noten-Beispiele sollen eben nicht dazu führen, in Vierteln und Achteln zu denken. Sie sind nur das Ergebnis dessen, was sich evtl. spontan ergibt und soll hier nur denjenigen mitnehmen, der ein Beispiel braucht, um das Prinzip zu erfassen.

Ist man - wie bei den Beispielen - an die Rhythmik gebunden, ist der Vorgang des Improvisierens stark eingeschränkt, und es wird eher eine Konstruktion als eine Improvisation. Eine Konstruktion ist klasse, aber nicht Thema. Gut, die Grenzen sind fließend...

Nicht zu viel Theorie hineindenken! Viertel, Achtel, das blockiert die Spontanität.. Ich will damit nur bewusst machen, dass es viel mehr Möglichkeiten gibt, als die Silben vermuten lassen. Man kann den einen Takt auch mit Viertel ausfüllen, den anderen mit Achteln versehen und hat so viel mehr Töne zur Auswahl. Nur, darüber sollte man gar nicht erst nachdenken. Ist viel zu analytisch. Try and error - !

Noch mal als Anregung ein anderes Beispiel in 3/4:

Unendliche Möglichkeiten. Auch ein Genre- Wechsel kann Varianten erzeugen. Denke ich an ein Kinderlied, schwebt mir ein fröhlicher Dur Klang in hohem Tempo vor, denke ich an eine Ballade in Moll, könnte ein völlig anderes Ergebnis heraus kommen. Vielleicht ein Rocksong, ein Schlager, das ist eine Sache der Imagination.

Auch das Tempo spielt eine entscheidende Rolle.

Um-da-da Um-da-da - bitte noch mal im 3/4 Takt einordnen und dann los geht´s, nochmal mindestens drei Vorschläge machen.....frei drauf los, oder mit den Noten!

@ø¤º°`°º¤ø,¸♬ ♩ ♭ ♪ ♬ ♪♩ ♬ ♩ ♭ ♪ ♬ ♪♩¸,ø¤º°`°º¤ø,¸@

Ich bin sicher, da kamen nicht nur drei, stimmt´s?

Wer sich allerdings ziert und sich nicht traut, weil er meint, da kommt eh nix bei raus, shame on you !

Ein Minimum an Frohgemut ist schon nötig...! Don´t think twice, it´s alright!

Ist der 3/4 eigentlich nicht mehr so geläufig oder gar am Aussterben?

Nun, auch ein 4/4 -Takt ist sehr gut möglich.

Schwer und bedrohlich ala Rammstein?

Ok, bitteschön! Ramm!

Also zunächst mal auf 4/4 "umschalten" !

Old Mac Donald rammt den Stein, alles klar?

Einfach drauf los ohne irgendwelche Vorgaben......ist ja nun auch eine sehr kurze Phrase. Wer möchte, erweitert den Text noch um ein paar Worte, nur zu!

  • Ein Einwand: Wer sagt denn, dass das die am Anfang ein Auftakt sein muss? Der Auftakt ist wohl naheliegend, zugegeben, aber probiert mal aus, was passiert, wenn es betont wird und so die Eins eines Taktes ist ? Betont. Geht! Anderes Ergebnis... Oder das die erst auf der 2 oder 3+ beginnen lassen... (Drum-beat dazu hilft) Man muss sich klar darüber sein, dass es nahezu unendlich viele Möglichkeiten gibt....

Füllt man "meisten Menschen" komplett mit Achteln auf, kommen womöglich fröhliche Melodien heraus ala Mozart! (jede Silbe bekommt zwei Noten)

Ich nehme an, es sprudelt, oder?

Wer möchte trotzdem ein weiteres Rhythmus Beispiel zur Anregung?

Ich nehme das die wieder als Auftakt:

4/4 | . .die | mei-sten Men-schen| die das tun |

Vorstellungskraft schulen

Ich schlage vor, das ganze für heute mal "sacken zu lassen" und in den folgenden Tagen den einen oder anderen Moment zu nutzen, um dieser Muße nachzugehen.

Es geht ja nicht darum, einen Hit zu schreiben oder die hookline des Jahrhunderts.

Eine Textphrase kann hilfreich dabei sein, eine Vorstellung zu entwickeln.

Die Vorgaben bezüglich Text, Rhythmik, Stil und Genre sind letztlich Werkzeuge, um der Spontanität eine Richtung zu geben. Sich für ein Tempo zu entscheiden ebenso.. Vielleicht ist das Ticken der Uhr auch ein Tempo-Vorschlag...

Man muss ja auch den richtigen Moment erwischen. Ein Bad vielleicht?

Es kann natürlich jede andere Text-Phrase ausprobiert werden, es sei denn, man lässt auch die einfach weg!

Nur Melodie, sonst nichts ? Ja, gut nur zur Übung ... - doch nur die Melodie alleine ist den meisten Erwartungen entsprechend nur eine Seite der Medaille. Es gibt zwar schöne einstimmige Musik ( zB. gregorianischer Gesang), aber erst mit Akkorden zusammen wird daraus ein Ganzes. Ohne sie könnte eine gewisse Leere entstehen, alles ganz normal.

(Akkorde können später zur vorhandenen Melodie hinzugefügt werden - zudem können sie bereits beim inneren Hören mit anklingen)

Wer hier schon die eine oder andere Melodie gefunden hat, wird mir recht geben, dass nicht an erster Stelle Noten- oder Intervall- Kenntnisse die Basis dafür waren, sondern das innere Hören, das nun auf das Instrument übertragen werden muss.

Und: Das war improvisiert!

Das heißt natürlich keinesfalls, dass Hintergrundwissen unnötig wäre, im Gegenteil, aber beim Dazulernen von Wissen und dessen Anwendung steht am Ende immer trotzdem das innere Hören. Mit ansteigendem Wissen / technischem Vermögen werden lediglich die Ausdrucksmöglichkeiten erweitert.

Vielleicht fällt noch was auf:

Hat man sich einmal auf etwas "eingeschossen", sagen wir, eine bestimmte Rhythmik oder "Old Mac Donald", fällt es schwer, davon los zu kommen. Sozusagen ein lästiger Ohrwurm, der dafür sorgt, den Ideenfluss zu blockieren. Ging mir eben mit den Beispielen oben auch so. Bitte nicht für bare Münze nehmen! Es ist nur ein Ohrwurm, den man "verjagen" kann. (Rammstein verjagt Rumpelstilzchen ) :-)

Zudem ist es so, dass beim inneren Hören manchmal auch eine nur vage Vorstellung entsteht. Summt man die Melodie stattdessen laut, wird man das feststellen. Alles Ungefähre, Vage ist problematisch. (natürlich kann man auch "vage" summen, daher ist wichtig, jeden Ton möglichst eindeutig zu intonieren)

Im zweiten Teil des Workshops werden wir konkret mit der Gitarre improvisieren, aufzählen welche Grundlagen nötig sind und dabei, wie eingangs angedeutet, die Durtonleiter verwenden.

 
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