Erste Improvisation Teil 2 (Praxisteil)
Sprung ins kalte Wasser: Improvisieren mit 7 Tönen
(vorweg: ein paar Grundlagen, bereits schon im ersten Teil angesprochen , werden im folgenden Workshop weiter vertieft. Bitte zu beachten, dass es sich um einen Einstiegs-Workshop handelt, Nicht alle Aspekte werden behandelt.)
- Zum ersten mal eine G-Dur-Skala (Tonleiter) über einen backing track spielen - ?

Nur keine Hemmungen, einfach machen! (ganz wie beim Üben der G-Dur Tonleiter auf/abwärts, Fingersatz befolgen )
Es werden grundsätzlich Notenwerte gewählt, die stressfrei und sauber gespielt werden können. Für wen Achtel viel zu schnell sind, wählt Viertel, Halbe etc.
In welchem Zusammenhang die einzelnen Töne und Melodien ihre Wirkung erzielen, kann genauestens analysiert werden, doch das werden wir später, erst nach dem "Sprung ins kalte Wasser" tun.
➡ Verwenden wir die G Dur Skala zu der Begleitmusik - wenn auch zuerst nur in Vierteln auf/abwärts - werden wir nämlich merken, dass die meisten Töne sehr gut dazu passen, ganz ohne zu wissen, wie sie überhaupt heißen.
Kein Wunder, denn die (Begleit-) Akkorde bestehen aus den 7 Tönen der G-Dur Tonleiter! ..... (Siehe "Frei solieren- Modales System") Alle Töne, aus denen die Akkorde zusammengebaut werden, sind also auch in der Tonleiter vorhanden - gut oder?
Es ist für dieses Experiment nicht nötig, gleich die ganze Theorie dahinter zu pauken. Also: Keine Sorge, zunächst genügt vollkommen:
Die Akkorde sind so gewählt, dass die verwendete G-Skala dazu "passt"
Allein mit diesem kleinen Experiment wird bereits das Gehör beansprucht; in jedem Fall dürfte es für Aha-Effekte sorgen. Genau das ist mein Anliegen, wobei an diesem Punkt jeder auf seinem ganz persönlichen Musik-Planeten landet. Ich kann in diesem Workshop nicht dafür sorgen, dass jeder nun genau da abgeholt wird. Es wird eben nicht gleich alles professionell klingen. Es geht nur darum, überhaupt mal das Experiment zu wagen. Es ist überhaupt kein Beinbruch, wenn etwas "schief "geht, im Gegenteil: Wer den "falschen" Ton hört, hat schon mal das Gehör benutzt! Das selbe Gehör wird später Abhilfe schaffen!
Für wen die "eingeschworene Bruderschaft" dieser 7 Skalentöne noch eher wie entfernte Bekannte sind, mag es vielleicht ein unsicherer Seiltanz sein. Es ist durchaus möglich, dass hier schon jedes weitere Vordringen in die Materie überfordert. Wer hingegen schon ein gutes Gehör mitbringt, wird es einfacher haben.
Es muss sich erst herausstellen, wie viel weiterführender input überhaupt verarbeitet werden kann. Wo jeder "abgeholt" werden muss. Man wird die "7 Brüder" mit der Zeit besser kennen lernen, und so ist jeder auch in seinem eigenen Prozess.
Wer also möchte, kann versuchen, auf bestimmten Tönen stehenzubleiben, die er im Moment für richtig hält, (!) - ein paar Töne der Skala aufwärts, abwärts, wieder stehenbleiben, rhythmisieren, zwischen zwei Tönen hin und her hüpfen, etc. Dadurch entsteht die Chance, die Rhythmik von den gleichmäßigen Vierteln zu lösen und die Schwerpunkte von Tönen nicht dem Zufall zu überlassen !!!
➡ Das sind bereits erste musikalische Phrasen, die in Echtzeit gebildet werden!
Die Praxis
1. Die Begleitmusik laufen lassen, Lautstärke so einrichten, dass ein angenehmes Verhältnis Gitarre /Musik eingestellt ist. (Hinweis: spielt in Wiederholung, aber nicht nahtlos)
2. Ermitteln, mit welchen Notenwerten gespielt werden kann und G-Dur Tonleiter spielen
3. Nächster Schritt wäre, Rhythmus und Melodie einzubauen, also lange und kurze Töne verwenden, die Leiter runter/rauf klettern, Intervalle einbauen, etc. Die "guten" Töne (Akkordtöne) mit dem Gehör herausfiltern und ihnen durch Verweilen (länger Aushalten) eine Betonung geben.
4. Das weiterführende Übungsmaterial weiter unten durcharbeiten, üben und kleine "Happen" davon anwenden.
Ich schlage vor, zur weiterführenden Praxis überzugehen, nachdem die erste praktische Erfahrung bereits gemacht und die G-Dur Tonleiter über die Begleitmusik gespielt wurde, falls noch nicht geschehen.

Es mag ungewohnt sein, plötzlich festzustellen, dass ein Ton, der eben noch schön klang, nach einem Akkordwechsel nicht mehr so schön klingt.
Dazu weiter unten mehr.
Womöglich wird es noch so einige Übung brauchen, um sich immer mehr der eigenen Vorstellung anzunähern und die Kontrolle darüber zu festigen. Zugegeben: Es wird ein langer Prozess. Ich will im Wechsel von Theorie und Praxis den Weg aufzeigen und dabei möglichst viele Einsteiger ansprechen.
Die weiterführende Praxis wird sein:
Sequenzen verwenden
Vorgefertigte Phrasen als kleine Bausteine verwenden
Drei- und Vierklänge verwenden
Solo Beispiele nachspielen
Treffsicherheit von Intervallen verbessern
Pauschal betrachtet schulen die fünf Faktoren mit zunehmender Erfahrung die Fähigkeit, frei über Akkordfolgen zu spielen und eigene Phrasen zu bilden. Jeder von ihnen fördert die Umsetzung eigener Ideen. Natürlich werden sie im Laufe der Zeit mit mehr Material gefüllt, aber für´s erste genügt eine kleine Auswahl.
Grundsätzliche Überlegungen

Zur Gehörbildung: Obwohl gutes Hören entscheidend für den Erfolg ist, kann ich es hier nur streifen. Gehörübungen können in allen möglichen Varianten absolviert werden, die aber für das Thema wichtigste ist die der Erkennung von Tonabständen. Welche Schwierigkeitsstufe dabei bewältigt wird, hat wesentlichen Einfluss auf das freie Spiel. Ziel ist, zumindest die wichtigsten Intervalle innerhalb einer Oktave besser zu kennen als wie eben nur "entfernte Bekannte". Durch die schnelle Lokalisierung bestimmter Tonabstände ist man in der Lage, sich wie ein Fisch im Wasser zu bewegen und jeden gedachten Ton nicht nur vage, sondern konkret, auch auf dem Instrument abzurufen. (s. Teil 1 "inneres Hören")
Wer bereits ein paar Sequenzen geübt hat, wird erfreut sein, wie gut sie über die Begleitmusik klingen. In langen Notenwerten gespielt dürften sie allerdings zu langsam und deshalb eher seltsam anmuten, viele Noten scheinen nicht zu passen. Woran liegt das? Nun, beim auf/ab treffen Töne leider nur zufällig mit den Akkorden zusammen.
Töne, die zeitlich auf betonten Taktstellen liegen, (Zählzeiten, zB auf der EINS, vor allem, wenn sie einem neuen Akkord zugeteilt wurde) bekommen durch ihre Platzierung schon ein Gewicht, eine Betonung. Eine Betonung ist zum Beispiel auch, wenn eine Note mehrmals rhythmisch wiederholt wird. Sie ragt gegenüber den ihn "umspielenden" Tönen heraus. Der so betonte Ton sollte daher Teil des zugrundeliegenden Akkords, also ein Akkordton sein (1,3,5, oder 7)
Wenn er es nicht ist, betont man demnach eine Note außerhalb des Akkords, was im günstigeren Fall zu einer Spannung führt, die sich kurz darauf aber in einem Akkordton auflöst. (Entspannung )
Im ungünstigsten Fall erzeugt man damit "unschöne" Momente, also Unbehagen, was übrigens alle Zuhörer ohne Wissen über Harmonielehre als falsch wahrnehmen. Abhilfe: schnell weg von diesem Ton! Er darf nur nicht durch Innehalten betont werden. Also nicht darauf stehenbleiben, um dessen Dissonanz zu "genießen" :)
Das hat mit "Grammatik" zu tun
Eine grammatische Regel in der verbalen Sprache wird intuitiv angewendet. Auch die Musik wird man sich wie eine Sprache aneignen: Erst Vokabeln und Regeln, dann deren Anwendung lernen, bis sie intuitiv beherrscht werden.
Hier die wichtigsten theoretischen Ansatzpunkte beim Improvisieren:
1) Wie beim inneren Hören (Teil 1) entstehen Phrasen, die an einem bestimmten Moment in einer Zielnote enden. Das ist, wie wenn man beim Schreiben oder Sprechen einen PUNKT macht. (schematische Darstellung:)

Die Skalentöne (sowie skalenfremde = Durchgangstöne) können theoretisch tatsächlich mehr oder weniger wahllos sein. Erst durch die Zielnote wird die gesamte Phrase schlüssig. Diese Aussage stimmt weitgehend, wenn sie auch eher abstrakt aufgefasst werden soll. Für uns ist sie jedenfalls richtig.
End - und wahllos aneinandergereihte Töne werden nicht als Sprache wahrgenommen, sondern als "Buchstabensalat"! Es muss eine musikalische Aussage getroffen werden, so als wenn ein Satz zu Ende gesprochen wird. Es ist die Zielnote, ein Akkordton, der das Ende einer Phase markiert, was der Aussage einen musikalischen "Sinn" verleiht.
2) Die Zielnote ist ein Akkordton, also GT (1), Terz (3), Quint (5) oder Septime (7)
3) Die stimmige Zielnote, auf der man "landet", wird beim Improvisieren nicht etwa durch pragmatische "Berechnungen", sondern über das Gehör und die Kenntnis der Tonabstände auf der Gitarre ermittelt. Es wird am Ende die Imagination bemüht, anstatt zu "Malen nach Zahlen", wobei die gewünschten Töne auf dem Griffbrett abgerufen werden.
Ohne eine Vorstellung zu haben von dem, was gespielt werden soll, werden lediglich mechanische Abläufe abgerufen. Der Hörer entlarvt das!
4) Die vorgefertigten Phrasen, Skalen, Sequenzen und Arpeggios sind wichtige Bausteine, sind aber im besten Fall nur Ausgangspunkt des eigenen Ausdrucks, der eigenen Phrasierung.
5) Jeder einzelne der 7 Töne hat eine andere Qualität, sobald der zugrundeliegende Akkord sich ändert. Das liegt daran, dass derselbe Ton bei jedem neuen Akkord ein anderes Intervall zum Grundton bildet. "Rückt" ein Ton auf diese Weise auf eine Position, die ihn zum nicht-Akkordton macht, verliert er seine Gewichtung und ist nur noch ein Skalenton.
6) Es gilt, die wichtigsten Töne eines Akkords (1,3, 5,7) aus der Tonleiter herauszufiltern. Die anderen sind dazu da, sie zu "umspielen". Die Praxisbeispiele werden zeigen, wie so etwas vonstatten gehen kann
Damit ist das Ziel klar definiert; auch wenn die Theorie nur gestreift wurde, habe ich mir vorgenommen, möglichst schnell zu den konkreten Beispielen zu kommen.
(für Hintergrundwissen siehe Frei solieren Workshop)
Weiterführendes Material:
Am besten die drei PDF Blätter ausdrucken, die unter der Begleitmusik eingestellt sind. Dabei wird eine neue Seite geöffnet.
Es folgt die Beschreibung zu den Blättern:
1. Sequenzen der G-Dur Skala verwenden
Erste Zeile: G- Dur über zwei Oktaven, II Lage. Sollte jeder soweit kennen. Entspricht dem Diagramm hier oben auf dieser Seite.
Die Sequenzen (Figuren) ab Zeile 2 sind nur eine kleine Auswahl, aber ein guter Einstieg. Sie gehen hier nur über 2 Takte. (durch Doppelstriche markiert ) dann noch zwei Takte derselben Sequenz abwärts.
Vierergruppe Standard: Es gibt weit mehr Varianten!
Zeile 3 : Terzen: Sehr effektiv.....
Der fehlende Rest der jeweiligen Oktave sollte auf die to-do-Liste. Wer das System der Sequenz durchschaut, weiß, wie es weiter gehen muss.